der mensch muß im mittelpunkt der betrachtung stehen
niemals ist ein mensch abgeschlossen in seiner entwicklung.
es müßten sich alle mehr als kinder verstehen, die in entwicklung
sind und die im grunde ein interesse daran haben, sich weiter
zu entwickeln.
ich will anregen, daß jeder den vorgang der entwicklung des
bewußtseins selbst in die hand nimmt.
aufgabe der kunst ist es, die zerstörung des menschengemäßen
zu verhindern und das menschengemäße aufzubauen.
das ist ein kunstbegriff, der nicht mehr an der wand hängt,
sondern sich im raum abspielt, der seinen niederschlag in
gesprächen oder handlungen findet, sich in aktionen vollzieht
und nicht mehr ans museum gebunden ist
GNOTHI SEAUTON
"erkenne dich selbst"
war in der antike am tempel des apollo in delphi deutlich
und für jeden sichtbar zu lesen.
es gibt kein verstehen ohne selbsterkenntnis.
ohne selbsterkenntnis hängt alles denken in der luft, fehlt jeder
gewonnenen überzeugung die sichere grundlage.
wie kann man die wahrheit finden, wenn man sich nicht zuerst
selbst durchschaut?
ohne selbsterkenntnis fällt man hoffnungslos der illusion anheim.
es ist kindisch, sich sagen zu lassen und unbesehen zu glauben,
daß man dies oder jenes sei.
wichtig ist allein, daß sich der mensch selbst erkennt.
selbsterkenntnis ist ein abenteuer, das in unerwartete
weiten und tiefen führt
wer andere kennt, ist klug, wer sich selbst kennt, ist weise.
die erfahrung zeigt:
der mensch ist nicht fertig, vollendet und perfekt,
er ist kein" vollkommenes wesen", sondern eher eine "baustelle"- ein ort
ständiger veränderung, gestaltung, entwicklung, trans-formation und
meta-morphose
"bauen" bedeutet :
wachsen, gedeihen, entwickeln, gestalten, bilden, hervorbringen, erzeugen,
formen, erschaffen, konstruieren...
und meint nicht nur die kultivierung individueller
einstellungen, sichtweisen und interessen, sondern auch die entwicklung
und ausbildung schöpferischer fähigkeiten, die oft im verborgenen schlummern
wie ein schatz, von dem niemand weiß...
alle verständigung, alles lernen und verstehen ist stets bau und interpretation
des erlebenden subjekts.
was wir erleben und erfahren, erkennen und wissen, ist aus unseren eigenen bau-
steinen gebaut und läßt sich auch nur aufgrund unserer bauart erklären.
wissen wird vom lebenden organismus aufgebaut, um den an und für sich form-
losen fluß des erlebens soweit wie möglich in wiederholbare erlebnisse und
relativ verläßliche beziehungen zwischen diesen zu ordnen.
kognitive lebewesen sind in der lage, sich aufgrund ihres eigenen erlebens eine
mehr oder weniger verläßliche welt zu bauen.
wie das material des zimmermanns das holz, das des bildhauers das erz ist,
so ist der gegenstand der lebenskunst das leben jedes einzelnen menschen
selber.
nichts großes wird auf einen schlag.
wenn du mir jetzt sagen würdest: ich möchte eine feige haben, dann antworte
ich dir:
das erfordert zeit
laß den baum erst einmal blühen, dann früchte ansetzen, dann sie reif werden.
die frucht des feigenbaums kommt ja nicht plötzlich und nicht in einer stunde
zur reife. ... und da willst du die frucht der bildung des menschen in so kurzer zeit
und mühelos ernten?
ein junger mann kommt zu einem rabbi mit der frage:
"was kann ich tun, um die welt zu retten ?"
der weise antwortete:
"so viel, wie du dazu beitragen kannst, daß morgens die
sonne aufgeht."
"aber was nützen dann all meine gebete und meine guten taten,
mein ganzes engagement?" fragt der junge mann.
darauf der weise:
"sie helfen dir, wach zu sein, wenn die sonne aufgeht."